Interview mit Nico Tobien, 28 Jahre, Stadionsprecher von Energie Cottbus

Du bist seit der Saison 2022/2023 Stadionsprecher bei Energie Cottbus. Wie kam es dazu?

Zuvor habe ich sechs Jahre lang Fanradio gemacht und dabei zahlreiche Cottbus-Spiele moderiert. Als dann vor zwei Jahren der damalige Stadionsprecher Benjamin “Benni” Hantschke überraschend aufgehört hat, musste die Position kurzfristig neu besetzt werden. Ich habe mich beworben und wurde genommen.

Wie lief das Auswahlverfahren? Gab es eine Art Casting?

Es gab eine reguläre Stellenausschreibung, auf die ich mich beworben habe. Durch meine Aktivitäten beim Fanradio kannte ich die Verantwortlichen bereits ein wenig und wurde während der Sommerpause zum Probesprechen im unbesetzten Stadion eingeladen, damit ich ein Gefühl dafür bekomme, wie es wäre auf dem Platz zu stehen. Der Pressesprecher hat das gefilmt, an den Präsidenten weitergeleitet und meinte, dass das passe und meine Stimme ganz gut klinge. Mein erstes Spiel als Stadionsprecher war dann gegen Luckenwalde, da wurde ich ins kalte Wasser geschmissen.

Gestern (4.8.2024) war der erste Spieltag der Dritten Liga, Cottbus spielte gegen Arminia Bielefeld. Wie hast du dich auf das Spiel vorbereitet?

Der Vorteil des gestrigen Spiels war der späte Anstoß um 16:30 Uhr. Daher konnte ich mich in Ruhe zu Hause vorbereiten. Ich gehe im Kopf durch, wie ich gewisse Sachen formulieren möchte. Ich habe immer einen „Rettungsanker“, falls ich mal einen Hänger haben sollte, was vor so vielen Leuten immer passieren kann. Bestimmte Informationen bereiten andere Mitarbeiter des Vereins für mich auf. Ich wusste schon vorher, dass wir ein Spiel mit den Einlaufkindern veranstalten, dass wir den Mannschaftsleiter verabschieden und dass wir eine lebenslange Mitgliedschaft haben. Auch der Gegner ist bekannt und ich kann bei der Präsentation ein, zwei Fakten nennen. All das schreibe ich auf Moderationskärtchen und gehe zu Hause alles so lange durch, bis es sitzt. Viel Wert lege ich auf mein Anpeitschen, nachdem ich die Aufstellung unserer Mannschaft verlesen habe. Für mich ist das der wichtigste Teil, denn dann sind wirklich alle Zuschauer auf ihren Plätzen und man hat unmittelbar vor dem Spiel die Chance, für Stimmung zu sorgen.

Deine Ansprache gegen Paderborn in der letzten Saison ist ein Beispiel dafür. Wie lange brauchst du für eine gute Motivationsrede?

Zeitlich einordnen kann ich das gar nicht. Auch wenn du es als Motivationsrede bezeichnest, am Ende spreche ich gerade mal 30 Sekunden, das sind vielleicht fünf Sätze, die auf meiner Karte stehen. Das ist zwar nicht viel Inhalt, aber dieser muss gut sein.

An das Spiel gegen Paderborn kann ich mich gut erinnern: „Wir wissen alle, dass wir in den letzten Jahren kurz davor waren, die Sensation zu schaffen. Wenn wir heute alles geben, dann können wir nach zwölf Jahren das erste Mal wieder in Runde zwei des Pokals kommen.“ So ähnlich bin ich auch beim Spiel gegen Bielefeld vorgegangen. Meistens fange ich für meine kurze Rede mit Stichpunkten und kleinen Satzbausteinen an, aber mehr als 30 Minuten brauche ich nicht dafür. Am schönsten ist es, wenn ich schon während der Ansprache merke, dass die Nordwand laut wird und die ersten Fans zu klatschen beginnen. Dann weiß ich, der Plan ist aufgegangen.

Welche Bedeutung haben für dich die Vereinshymne und die Einlaufmusik?

Alle Lieder sind Teil einer Show, um die Leute zu animieren. Ende der letzten Saison war es wohl dem sich anbahnenden EM-Hype geschuldet, dass Major Tom die Fans zum Mitsingen animiert hat. Das ist gut für die Stimmung im Stadion.

Grundsätzlich bin ich aber ein Freund davon, dass immer die gleichen Lieder gespielt werden. Unsere Torhymne, Energie Olé von Achim Mentzel, finde ich nach all den Jahren immer noch perfekt. Aus meiner Sicht gibt es keinen Grund, sie jemals zu ändern.

Unsere Torhüter haben auf eigenen Wunsch ein neues Einlauflied bekommen, Weiß der Geier oder weiß er nicht. Ich war zunächst skeptisch, aber der Song funktioniert, die Fans haben sofort mitgesungen.

Hast du Einfluss auf die gespielte Musik im Stadion?

Ich habe zwar ein Mitspracherecht, aber unser Stadion-DJ Fabian Schüler ist sehr erfahren, er war schon zu Erstligazeiten aktiv, ihm vertraue ich vollkommen. Das meiste ist zudem durchchoreographiert. Zum Ende der Vereinshymne laufen die Fahnenträger ein, und ich habe mir angewöhnt, immer hinter ihnen aufs Feld zu kommen. Wenn das Lied ausgeblendet wird, beginnt die Kurve zu klatschen, und ich kann mit meiner Moderation beginnen.

Gibt es für die Musik einen festen Ablauf?

Ja, das musikalische Grundgerüst für den Spieltag steht fest, aber es gibt immer wieder Veränderungen. Die aktuelle Aufwärmmusik hat sich zum Beispiel die Mannschaft gewünscht. Axel Borgmann ist auf uns zugekommen und hat gesagt: „In der Kabine hören wir immer Smack Yo‘ von Beltran, das pusht ein bisschen. Das würden wir gerne beim Aufwärmen hören.“ Zwar müssen sich unsere Fans im Stadion wohlfühlen, aber die Spieler müssen schon beim Warmmachen in einen Rhythmus kommen. Wenn die Musik dabei hilft, dann gehen wir natürlich darauf ein, und Smack Yo‘ scheint ein gutes Lied zu sein, um sich zu fokussieren.

Generell ist es wichtig, welche Musik wann zu spielen ist. Bei einer Niederlage sollte man nicht Hey, das geht ab von den Atzen spielen. Genauso wie ich situativ meine Ansagen mache, wird auch bei der Musik situativ entschieden, was sinnvollerweise zu spielen wäre.

Gibt es für dich musikalische No-Gos?

Was heißt No-Gos? Seit meiner Jugend höre ich fast ausschließlich Rap, aber das funktioniert im Fußballstadion einfach nicht. Dort müssen eher Klassiker wie Major Tom laufen.

Welche Fangesänge möchtest Du von den Fans nicht hören?

Generell darf jeder selbst entscheiden, was er singt und was nicht. Ich finde es aber schade, wenn sich die Gesänge zu sehr gegen den Gegner richten.

Gibt es Lieblingslieder, die du im Stadion besonders gerne hörst?

Ich höre gerne die Vereinsklassiker, z.B. Seit 1966 stehen wir zusammen, aber auch das leider viel zu selten gesungene Energie, wir sind da wie noch nie.

Die Fragen stellte Joshua Kühne


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