Am Samstag, den 31.08.2024, fand das Regionalligaspiel des KFC Uerdingen 05 beim 1. FC Bocholt statt. Im Rahmen des beruflichen Auftrages wurde das Spiel durch zwei pädagogische Fachkräfte des sozialpädagogischen Fanprojektes in Krefeld, welches sich in kommunaler Trägerschaft befindet und nach den Statuten des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS) auf Grundlage des SGBVIII von DFB, NRW-Jugendministerium sowie der Stadt Krefeld gefördert wird, begleitet. Gemäß des im Netzwerk abgestimmten Arbeitsauftrages begleiteten die Mitarbeiter*innen die Fanszene bei der An- und Abreise und waren vorab in die Spieltagorganisation, u.a. mit der Polizei und den beteiligten Vereinen eingebunden.
Die Anreise der Fanszene erfolgte geordnet und ohne besondere Vorkommnisse. Die Uerdinger Fans reisten hauptsächlich in zwei Reisebussen sowie mit privaten PKWs an. Während eines Kurvengesprächs nach Spielbeginn, an dem neben der Polizei auch der Rettungsdienst, Vertreter*innen des 1. FC Bocholt sowie das Fanprojekt teilnahmen, wurde die Lage von allen Beteiligten als entspannt bewertet.
Die erste Halbzeit verlief ruhig, die mitgereisten Uerdinger Fans unterstützten ihre Mannschaft lautstark. In der zweiten Halbzeit änderte sich die Stimmung als Bocholter Fans im Heimbereich einen mutmaßlich geklauten Uerdinger Fanschal präsentierten. Diese Provokation führte zu lautstarken Reaktionen seitens der Uerdinger Fans, die teilweise den Zaun zum Spielfeld be- aber nicht überstiegen. Entgegen der Darstellung in den Medien betrat niemand den Innenraum. Die Spielunterbrechung war nicht auf einen Platzsturm der Fanszene zurückzuführen, sondern darauf, dass eine Einsatzhundertschaft der Polizei den Innenraum betrat, um sich vor dem Gästefanblock zu positionieren. Dies führte zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Sicherheitsdienst und den Uerdinger Fans.
Das Spiel konnte nach einer kurzen Unterbrechung fortgesetzt werden. Nach dem Abpfiff sammelte sich die Fanszene, um gemeinsam das Stadion zu verlassen. Am Ausgang kam es erneut zu Provokationen durch Bocholter Fans, die auf der gegenüberliegenden Seite des Stadions positioniert waren. Die Polizei, die hinter einem ca. zwei Meter hohen Zaun stand, setzte Pfefferspray gegen Uerdinger Fans ein, die auf die Provokationen seitens der Heimfans reagierten.
Leider trug auch die Polizei durch abfällige Bemerkungen zur Eskalation des Konfliktes bei, anstatt deeskalierend zu agieren. Dies führte dazu, dass einige Fans versuchten, den Zaun zu erklimmen. Durch den Einsatz von Pfefferspray, welches wahllos über den Zaun in die Menge gesprüht wurde, erlitten mehrere Personen starke Reizungen, darunter auch unbeteiligte Zuschauer*innen. Diese Verletzungen wurden in den Medienberichten bis dato nicht erwähnt. Um nicht selbst durch das eingesetzte Reizgas verletzt zu werden, mussten sich die eingesetzten Fachkräfte vorerst zurückziehen.
Aus Sicht der LAG Fanprojekte NRW ist der unbegrenzte und flächendeckende Einsatz von Pfefferspray in einem Fanblock ohne jegliches Eskalationspotenzial gefährlich, weiterhin ist das respektlose und provozierende Verhalten seitens der eingesetzten Polizeibeamt*innen im Umgang mit den betroffenen Fans sowie allen weiteren anwesenden Personen inakzeptabel.
Auf der Rückfahrt von Bocholt nach Krefeld wurde der Bus der Fanszene von sieben Polizei-Einsatzfahrzeugen begleitet. Am Grotenburg-Stadion angekommen, wurden die Fans von weiteren zehn Polizeifahrzeugen erwartet und alle 62 Insassen zum Aussteigen aufgefordert.
Gegen 18 Uhr versuchten Fachkräfte, des sich in kommunaler Trägerschaft befindlichen Fanprojektes, ohne Erfolg Kontakt mit der Polizei aufzunehmen. Während der gesamten Maßnahme waren die eingesetzten Fachkräfte der Krefelder Fanprojektes teilweise durch ihre Kleidung als auch durch gut sichtbare Arbeitsausweise zu erkennen. Anders als noch beim Kurvengespräch in Bocholt wollte man nun scheinbar nicht mehr mit den Kolleg*innen kommunizieren, auch eine Kontaktaufnahme durch den eingesetzten szenekundigen Krefelder Polizeibeamten, konnte den Einsatzleiter nicht umstimmen.
Weiter wurden keine spezifischen Informationen zum Umfang und zur Dauer der Maßnahme gegeben. Per Lautsprecher wurde verkündet, dass alle Anwesenden, somit auch die städtischen Mitarbeiter*innen des Fanprojektes in Krefeld, des Landfriedensbruchs verdächtigt würden und daher die Personalien jedes Einzelnen aufgenommen werden müssten. Unter den Betroffenen befanden sich auch fünf Frauen, die aufgrund fehlender sanitärer Einrichtungen gezwungen wurden, unter unwürdigen Bedingungen ihre Notdurft in der Öffentlichkeit unten den Augen aller Anwesenden zu verrichten.
Die Situation wurde durch die hohen Temperaturen und den Mangel an Wasser und Nahrung weiter verschärft. Auch die Anwesenheit von Unbeteiligten, die ebenfalls in die polizeiliche Maßnahme einbezogen wurden, zeigt die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes. Die Maßnahme zog sich über vier Stunden hin, wobei jeder Betroffene einzeln kontrolliert, abgetastet und durchsucht wurde. Anschließend erhielten alle Betroffenen einen Platzverweis für den Rest des Abends, einige sogar für den folgenden Tag.
Das Fanprojekt war während der gesamten Maßnahme vor Ort und konnte die Fans nur innerhalb der Maßnahme unterstützen. Ein Verlassen der Maßnahme zur Beschaffung von Getränken oder zur Betreuung der bereits entlassenen Betroffenen war nicht möglich. Wir sind erschüttert über die fehlende Kooperationsbereitschaft der Duisburger Einsatzhundertschaft sowie des eingesetzten Polizeiführers.
Zudem üben wir als LAG Fanprojekte NRW scharfe Kritik daran, dass zwei eingesetzte Mitarbeiter*innen des Fanprojekts trotz mehrfacher Ansprache an den Einsatzleiter aus Duisburg über einen Zeitraum von vier Stunden daran gehindert wurden, ihre Arbeit professionell auszuüben und schlussendlich wie potenzielle Straftäter*innen behandelt wurden. Diese Missachtung ihres berufspolitischen Auftrags steht in absolutem Widerspruch zu den Werten und Aufgaben des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS). Im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) ist die Zusammenarbeit und das gemeinsame Handeln aller Beteiligten zur Sicherheit bei Sportveranstaltungen festgelegt.
Von diesen Grundsätzen wurde am Spieltag in Bocholt seitens der Polizei massiv abgewichen. Wir möchten hiermit auf die unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahme hinweisen, die mit einer Härte durchgeführt wurde, die für eine Personalienfeststellung aufgrund von möglichen Anzeigen wegen Landfriedensbruch und Beleidigung absolut willkürlich erscheint und zudem viele Unbeteiligte traf. Die unwürdigen Zustände während der Maßnahme, wie das Fehlen von Toiletten, Wasser und Nahrung, sind nicht hinnehmbar, hier wurden Dutzende Unbeteiligte für das mögliche Fehlverhalten Einzelner in Geißelhaft genommen.
Wir fordern, dass der Polizeieinsatz beim 1. FC Bocholt und die polizeiliche Maßnahme vor dem Grotenburg-Stadion in Krefeld kritisch aufgearbeitet werden. Des Weiteren fordern wir die Löschung aller persönlichen Daten der Mitarbeiter*innen des Fanprojektes sowie ein klares Bekenntnis seitens der Polizei zum Nationalen Konzept Sport und Sicherheit sowie die Anerkennung des beruflichen Auftrages sozialpädagogischer Fanprojekte. Wer unisono Dialog einfordert, muss diesen auch gewährleisten.
Selbstverständlich stehen die eingesetzten Fachkräfte, die Trägerverantwortlichen als auch der Netzwerkverbund der Fanprojekte in NRW für einen Austausch und die Aufarbeitung jederzeit zur Verfügung.
Allen weiteren Betroffenen dieser polizeilichen Maßnahme empfehlen wir das Erstellen eines Gedächtnisprotokolls sowie ggfs. die Konsultation eines Fachanwaltes, zumindest aber eine Überprüfung der potenziell gespeicherten Personaldaten.
Bei Fragen und Unterstützungsbedarf hilft das Fanprojekt Krefeld nach Kontaktaufnahme über die bekannten Kommunikationswege gerne weiter.
Krefeld/Bochum, 11.09.2024
LAG Fanprojekte NRW